press-schlag : Die Liga in der Prä-WM-Starre
Über einen klinsmannesken Hockeytrainer, den unvermeidlichen Uli Hoeneß und grauenhafte WM-Devotionalien
Über eine Einkaufsstraße zu flanieren, kann in diesen Tagen zu mittelschweren Schockzuständen führen. Da betrachtet man die Angebotstafel eines billigen Haushaltswaren-Marktes, der normalerweise Dinge wie Thermoskannen und Mülltrenneimer verramscht, und man erblickt dies: alberne Hüte in den deutschen Farben, Käppis, Tröten, Rasseln, Deutschland-Fahnen und Masten. WM total im Ramschdiscounter! Angst kommt auf vor einem Sommer, in dem sich Deutschland flächendeckend beflaggen wird. Deutschland trötet und trägt Schwarzrotgold. Oje!
Die Ereignisse in der Bundesliga sind derzeit nicht geeignet, den Betrachter angenehm zu zerstreuen. Die Liga verharrt allem Spannungs-Geschrei der TV-Anpreiser von ARD und ZDF zum Trotz in einer eigenartigen Prä-WM-Starre. Die Tabelle nach den Samstagsspielen war exakt die des Spieltags zuvor. Die Bayern besiegten Leverkusen 1:0, weil sie ja Michael Ballack haben, und weil sie grundsätzlich nie gegen Bayer 04 verlieren. Spiele gegen Leverkusen seien immer gleich, stellte Ballack leicht gelangweilt fest. „Die spielen gut mit, aber sind zu wenig zwingend.“
Und natürlich sind die Bayern sowieso die Allerbesten. Mit Abstand. Die konkurrenzlose Münchner Überlegenheit macht Uli Hoeneß sogar schon ein bisschen Angst. Jedenfalls freute sich der Manager – vermutlich ohne zu schwindeln – darüber, dass am Samstag auch Bremen und Hamburg erfolgreich waren. „Wenn die anderen beiden heute verloren hätten“, sagte Hoeneß, „dann wäre die Meisterschaft entschieden gewesen. Das kann für unsere Ziele nicht gut sein.“ München will ja möglichst in der Champions League triumphieren. Abgesehen von Wolfgang Wolfs Gezeter über Benachteiligungen seines FCK verlief der Samstag völlig unspektakulär.
Das einzige Thema, das die Liga kollektiv erhitzt, lautet: Darf ein Artfremder, nämlich der Hockeytrainer Bernhard Peters, Technischer Direktor des nationalen Heiligtums Fußball-Nationalmannschaft werden? Die Stimmungslage scheint sich auf „Ja natürlich darf er das, denn wird sind ja aufgeschlossen und modern, aber nur wenn ihm ein Fußball-Mann zur Seite gestellt wird“ einzupendeln. Peters ließ sich derweil vom ZDF interviewen und sonderte erwartungsgemäß Klinsmanneskes ab: Er will „neue Gedanken“ einbringen und das Projekt unter „neuen Perspektiven“ beleuchten. Prozesse und so weiter – ach ja.
Auch das ist langweilig. So zerstreut man sich mit gruseligen Gedankenspielen: Wozu wird der grassierende WM-Wahn wohl noch führen: vielleicht WM-Hundefutter und -mäntelchen (Bello bellt für Deutschland) oder WM-Tattoo-Sets (Arschgeweih in Schwarzrotgold). Dem Grauen sind keine Grenzen gesetzt.CHRISTIANE MITATSELIS